Transgenerationale Weitergabe oder
die Folgen von Traumata der Eltern oder Großelterntäterschaft für die weiteren Generationen
Transgenerationale Weitergabe oder
die Folgen von Traumata der Eltern oder Großelterntäterschaft für die weiteren Generationen
eine Weitergabe von eindrücklichen
individuellen Erlebnissen und Ängsten
eine Art „Minderausrüstung“ fürs Leben und
eine Überforderung
Hinzu kommt für unsere Generation auch noch
das Leiden unter Schuld- und Schamgefühlen.
Weitergabe von eindrücklichen individuellen Erlebnissen
Die „Minderausrüstung“ fürs Leben entsteht so:
Die „Überforderung“ ...
Das absolut Traurige ist: Wenn man das nicht aufbricht – durch eine Therapie zum Beispiel, gibt man alles an die eigenen Kinder weiter.
Traumatisierung in der Kindheit hat unseren Müttern und Vätern das „Urvertrauen“ ins Leben und in sich selbst geraubt.
So konnten sie es auch nicht an uns weitergeben. So wie sie mit beständiger Unsicherheit und unterschwelligen Ängsten leben mussten, tun wir das auch, weil es nie glaubhaft klang, wenn Mutter oder Vater sagte: „Ist ja gut, ich bin ja bei dir (mit meiner vollen Fürsorge und meinem mächtigen Schutz).“ Oder „Alles wird gut.“ Wenn sie es überhaupt sagten…
In einem Filmbeitrag habe ich gehört, dass traumatisierte Mütter überlegen, wie sie ihrem Kind in einer schwierigen Situation helfen können – nicht traumatisierte Mütter helfen nach ihrem spontanen Gefühl. Traumatisierte Mütter transportieren ihre Unsicherheit mit, nicht traumatisierte Mütter sind bei sich und ihrem Gefühl. Sie handeln unbeirrt und selbstbewusst und vermitteln damit Sicherheit.
Eine Täterschaft von Großvater oder Großmutter kann wahrscheinlich auch die nächste Generation dem Leben und der Welt gegenüber schlecht ausgerüstet haben, indem Großvater/-mutter ja selbst mit dem Leben und der Welt schlecht „im Reinen“ sein und damit keine sicher Orientierung vermitteln konnten.
(Annegret:) Mit meinen eigenen Worten formuliert schreibe ich hier zur Traumaweitergabe, was ich aus dem, was ich bis jetzt dazu gelesen (und gesehen) habe, verstanden habe. Die ergänzenden Bemerkungen zu dem, was Kriegsenkeln durch die Täterschaft von Großeltern weitergegeben wurde, sind Vermutungen:
Die Folgen der frühen Traumatisierung von Vater oder Mutter für deren Kinder, also uns und andere Betroffene, teile ich in drei unterschiedliche ein:
Für das Erstgenannte will nur zwei Beispiele geben:
Ich selbst bekomme immer noch sehr deutliche Beklemmung und Angst, wenn ein Flugzeug mit sehr tiefem Brummen zu hören ist, so wie früher als Kind, wenn die Mittagssirenen oder die Probealarmsirenen zu hören waren.
Es wurde in einem Buch auch berichtet, dass eine Tochter in ihren Träumen dieselben Bilder wie ihre Mutter gesehen hat. Diese Bilder stammten aus der Kindheit der Mutter im Zusammenhang mit einem Trauma und sie hatte davon nie erzählt.
Es ist gut möglich, dass auch das intuitive Wissen eines Kindes um die Täterschaft seines Vaters oder Mutter so belastend und verwirrend ist, dass es eine ähnliche Belastung darstellt.
... hat auch mit einer „Minderausrüstung“ zu tun und entsteht so: jedes Neugeborene ist für sein Überleben total auf die Eltern angewiesen. Es spürt genau, wenn es seinen Eltern nicht gut geht, denn das gefährdet sein Überleben. Schon der Säugling lernt, sich seinen Eltern so zu zeigen, dass es denen gut tut, zum Beispiel nicht zu weinen und stattdessen ruhig zu sein oder besonders viel zu lächeln. Damit lernt das kleine Kind schon ganz früh, statt seine Bedürfnisse zu artikulieren die emotionalen Bedürfnisse der Eltern zu stillen. Und dann hat sich im Bereich der Emotionen etwas umgekehrt: Nicht die Eltern sorgen für das Wohlergehen des kleine Kindes, sondern das Kind sorgt für die Eltern. Das nennen die Psychologen „Parentifizierung (ganz wörtlich: zu einem Elternteil machen)“ und es stellt eine starke Überforderung dar.
Dementsprechend sind auch wir schon ganz früh auf dem Weg gewesen, nicht unsere Bedürfnisse zu spüren, sondern die von anderen. Dementsprechend haben wir nicht erfahren, dass es in Ordnung ist, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, falls wir sie dann mal spüren können. Wir haben gelernt, zuerst die Eltern glücklicher zu machen, danach die anderen Menschen, die uns gegenüberstanden. Das ist ein sehr fest sitzendes Lernen, weil es sich ja auch schon früh bewährt hat. Möglicherweise haben einigen die Pubertät und der Zorn über prügelnde Eltern geholfen, diesen Mechanismus zu durchbrechen.
Die Spuren der Übergehung der eigenen Bedürfnisse und der Überforderung sind wahrscheinlich auch bei denjenigen noch da.
Auf Enkel von TäterInnen mag auch diese Überforderung gewirkt haben, denn das meist gut gehütete dunkle Geheimnis dürfte das Erlernen von Vertrauen bei der nächsten und übernächsten Generation sehr erschwert haben.
Schuld und Scham
Dass viele unserer Eltern so unentwegt und grundsätzlich nach der Schuld für alles Unangenehme, was geschah, suchten, erkläre ich mir aus ihrer tief verborgenen Unsicherheit. Es macht einfach sicherer, wenn man herausgefunden hat, an wem und was es gelegen hat, wenn etwas so gekommen ist, wie es kam. Identifiziertes falsches Verhalten galt es unbedingt zu vermeiden (Bloß keine Fehler machen!). Und in einer Familie mit unsicheren Personen erleichtert es die anderen, wenn einer die Schuld hat.
Und in Familien mit Eltern, die sich schuldig gemacht haben, wird Schuld und Schuldverschiebung noch schwerer gewogen haben.
Eine ähnliche Suche nach dem „richtig machen“ oder „richtig sein“ wie bei der Suche nach (Fehlern und) Schuld könnte auch bei der Scham eine Rolle spielen. Schamgefühl entsteht, wenn man sich dessen bewusst wird, dass man aus dem Rahmen fällt und nicht so ist, wie man denkt, dass man sein soll. In der Zeit unseres Heranwachsens (in der Zeit des Wirtschaftswunders) waren die Normen des „Normalen“ ziemlich fest definiert und der Spielraum für „normales“ Verhalten eng. Für selbstunsichere Personen, für unsere Eltern und für uns, die beständig danach suchen mussten, alles richtig zu machen, lag es nahe, sich oft schämen zu müssen, denn irgendwie war man trotz aller Anpassungsbemühung ja immer anders.
Beides, Schuldzuweisung und beschämt sein, lässt den einen sich schlecht fühlen und die anderen erleichtert oder zufrieden aufatmen.
Und es kann noch mehr sein
Der einzelne Kriegsenkel ist von dem Gesagten in unterschiedlichem Maß betroffen. Der Einzelne kann zusätzlich auch noch zur geprügelten Generation gehören und traumatisiert worden sein. Viele wurden auch nach den Büchern von Johanna Haarer erzogen und leiden unter großen Bindungsschwierigkeiten. . .